Rehkitz Paula – Aus dem Feld ins Herz

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Wie ein Dorf für seine Kleinsten kämpft

Wenn Claudia auf ihr Freigehege geht, ist sie nicht allein. Zwischen gackernden Hühnern, stolzen Gänsen und einer Handvoll Lämmer tapsen kleine Hufe. Eines dieser Tiere ist besonders zart und besonders zerbrechlich – Rehkitz Paula. Paula ist ein Findelkind – gerettet aus einem Mähfeld, zurückgelassen von ihrer Mutter, die bei einem Wildunfall ums Leben kam.

Ein neues Zuhause bei Claudia
Claudia, die „Ziehmama“, konnte nicht anders. Als die Kitzretter mit dem winzigen Wesen vor ihr standen, war für sie klar: „Ich muss helfen!“. Für sie ist das keine ungewöhnliche Situation. Seit vielen Jahren kümmert sie sich mit Leidenschaft und großem Herz um verwaiste Tiere. Sie weiß, wie sensibel die Aufzucht ist – besonders bei Wildtieren. Für jedes Tier gibt es eine spezielle Aufzuchtmilch. Auch Paula bekommt diese – mit der Flasche. Aufgewachsen ist sie wie ein Teil der Familie, mitten unter ihren Falschengeschwistern: fünf Lämmern, darunter Xaver, Anton und Leopold – letzterer einer von Drillingen.

Eine tragische Vorgeschichte
Doch Paulas Geschichte beginnt nicht im Stall, sondern auf einem Feld. Ihre Mutter, eine junge Rehgeiß, wurde an einer nahegelegenen Landstraße tot aufgefunden – mit eindeutigen Spuren des Säugens. Für die erfahrenen Landwirte war das ein klares Zeichen: Irgendwo dort draußen musste ein Kitz ganz allein zurückgeblieben sein. Sofort wurde der Verein Kitzrettung Notzingermoos e.V. alarmiert. Die Helfer durchkämmten das angrenzende Gebiet mit einer Wärmebilddrohne – eine lebensrettende Maßnahme.

Technik, die Leben rettet
Die Drohne – geflogen von den ausgebildeten Piloten Maximilian Gaisberger und Moritz Mittermüller – sieht das Unsichtbare. Ausgestattet mit Wärmebildkamera erkennt sie selbst in dichtem, hüfthohem Gras die Umrisse eines Kitzes. Das funktioniert jedoch nur frühmorgens oder spätabends, wenn der Temperaturunterschied zwischen Tier und Umgebung groß genug ist. Die Einsätze erfolgen stets im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben und nach vorheriger Abstimmung mit dem nahegelegenen Flughafen – ein organisatorischer Mehraufwand, den der Verein mit großer Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein trägt.

Bilanz einer Saison
In dieser Saison konnten so 24 Rehkitze und 5 Gelege von Bodenbrütern wie Fasane auf 90 Hektar Wiesenland gerettet werden. Zwei der drei Kitze, die mit Paula entdeckt wurden, wurden später von ihren Müttern geholt. Paula jedoch blieb alleine zurück.

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Das stille Leiden der Wildtiere
„Der Anblick eines verstümmelten Kitzen, das vom Mähwerk erfasst wurde, ist kaum zu ertragen“, sagt Jäger und Koordinator Florian Wiesgickl. „Doch was noch schlimmer ist: wenn ein verletztes Wildtier stundenlang leidet, bevor es stirbt – durch Hitze, durch Raubtiere.“ Auch das Muttertier leidet, nicht nur emotional, sondern körperlich, denn das Gesäuge produziert weiter. Und: Ein Rehkitz wird nur von seiner eigenen Mutter angenommen – ein Waisenkind wie Paula ist auf menschliche Hilfe angewiesen.

Zusammenarbeit und Verantwortung
Revierpächter Erich Lobermeier und der 1. Vorsitzende des Vereins, Manfred Amann, betonen, wie wichtig es ist, dass die Kitzrettung als fester Bestandteil der Mähplanung gesehen wird. Für die Landwirte ist der „Service“ kostenfrei, sie müssen sich lediglich rechtzeitig beim Verein melden. Koordinator Wiesgickl stimmt mit dem Drohnenteam und der Wandergruppe den Einsatz ab – meist genügen 30 Minuten vor dem Mäheinsatz.

Vergessene Flächen, verlorene Chancen
Doch nicht alle Flächen gehören Bauern, die sich kümmern. Es gibt sogenannte Ausgleichsflächen – Wiesen, die zum Beispiel dem Flughafen gehören und nicht bewirtschaftet werden. Dort kümmert sich niemand um die Tiere, ein Kitz hat dort keine Chance.

Einsatz mit Herz – und hohen Kosten
Neben den emotionalen und zeitlichen Aufwendungen kommen auch finanzielle Herausforderungen auf den Verein zu. Eine professionelle Drohne mit Wärmebildtechnik kostet mehrere Tausend Euro. Hinzu kommen Sachund Personenversicherungen, Akkus (ein Akku hält nur rund 20 Minuten) und Ersatzteile. Alles wird vom Verein getragen, der ausschließlich aus ehrenamtlichen Helfern besteht. Diese investieren während der Hochsaison von April bis August teils sechs Tage die Woche, ab vier Uhr morgens, acht Stunden am Tag – und das neben ihren regulären Berufen.

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Der Ruf nach gesetzlichem Schutz
Angesichts dieses enormen Engagements stellt sich für den Verein eine zentrale Frage: Wo bleibt der gesetzliche Rahmen, der – ähnlich wie bei Bäumen, Hecken oder auch der Jagd – eine verbindliche Schutz- oder Schonzeit von April bis August vorschreibt? Ein klarer gesetzlicher Ansatz in der Mähsaison auf Ausgleichsflächen würde nicht nur die Verantwortung gerechter verteilen, sondern auch das Bewusstsein für den Schutz des Wildes in der Fläche stärken.

Paulas neue Familie
Auch Wochen nach ihrer Rettung lebt Paula noch immer auf Claudias Hof und es geht ihr gut. Inzwischen läuft sie frei mit der Schafherde mit und hat sich eng an ihre fünf Flaschengeschwister angeschlossen. Die kleine Gruppe ist unzertrennlich – wie eine eingeschworene Gang, sagt Claudia schmunzelnd. Bisher zeigt Paula keinerlei Drang, in die Freiheit zurückzukehren. Die Schafe haben sie gut aufgenommen, und solange es ihr in ihrer kleinen Ersatzfamilie gefällt, darf sie bleiben. Sollte sie eines Tages doch von ihren Wildinstinkten geleitet werden und den Wunsch zeigen, in die Natur zurückzukehren, wird sie selbstverständlich ausgewildert.

Ein Appell an uns alle
Am Ende bleibt ein Appell – nicht nur an die Landwirte, sondern an uns alle: Die Natur braucht in dieser sensiblen Zeit Ruhe und Rücksichtnahme. Tiere sollten nie über einen Zaun gefüttert werden, auch wenn es gut gemeint ist – es kann ihnen schaden oder sogar das Leben kosten. Unrat darf nie in die Natur geworfen werden. Hunde sollten während der Brut- und Setzzeit unbedingt an der Leine geführt werden, um trächtiges Tier und Jungtiere nicht zu gefährden. Und nicht zuletzt verdienen jene Unterstützung, die sich täglich mit großem Einsatz für die Kleinsten einsetzen und ihnen eine Stimme geben. Der Verein Kitzrettung Notzingermoos e.V. freut sich über jede Hilfe – sei es als Spende, als helfende Hand oder mit Aufmerksamkeit für das Thema.

Kontakt:
Kitzrettung-Notzingermoos@web.de Kassier, Michael Miesbauer
Spendenquittungen werden auf Wunsch ausgestellt.

Für Sie berichtete der Oberdinger Kurier.

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